Flämisch zählt nicht zu meinen sprachlichen Stärken ... genaugenommen kann ich kein Wort. Aber Jeroen de…
ChronoCity, ein zu großes Projekt?
Eigentlich wollte ich zu meinem ersten und bisher größten Pilotprojekt nichts mehr schreiben. Sowohl in meinen Büchern als auch im wissenschaftlichen Sammelband Zeitgerechte Stadt der ARL (Artikel zum kostenlosen Download hier) habe ich viel darüber geschrieben. Ebenso wurde weltweit in den verschiedensten Medien über dieses Projekt berichtet. Mal völlig daneben, mal aber auch richtig gut recherchiert, wie z.B. in der Zeitschrift Eltern family oder der belgischen Zeitschrift De Morgen.
Nationale Berichte mit einem Anzeigenäquivalenzwert[1]Der AÄW beziffert den Gegenwert in Euro, der anstelle eines redaktionellen Artikels für eine Anzeige hätte aufgebracht werden müssen. von über 1,6 Mio sind in Print, Online und TV über dieses Projekt jeweils 2015 und 2016 erschienen, zzgl. der internationalen Berichte in „The Atlantic“, „Minnpost“, BBC, ARTE und vielen mehr, deren Wert sich nicht ermitteln ließ.
Grundsätzlich ist das Thema für mich eigentlich durch. Manche Dinge sollte man ruhen lassen. Seit meinem Weggang aus Bad Kissingen 2017 kamen aber immer wieder Nachfragen der Presse weltweit, wie es mit diesem Projekt weitergegangen sei, so nun auch jetzt wieder.
Ein Redakteur der ZEIT kontaktierte mich im August 2023 mit der Anfrage, ob ich ein Interview mit ihm zum Thema ChronoCity führen wolle. Es ginge um einen großen Artikel über Schlaf in der ZEIT online. Wir haben ein wirklich sehr angenehmes Interview geführt. Ich weiß aus Erfahrung sehr genau, wie schnell Informationen in der Presse durch Weglassen des Kontextes oder durch andere Formulierung zu einem völlig verdrehten Gesamtbild führen können.
Ich mache den Journalisten prinzipiell keinen Vorwurf (außer, wenn gezielt Meinung gemacht werden soll), es muss das Ganze auch platztechnisch irgendwie verarbeitet werden. Aber die Hintergründe zu diesem Projekt sind eben komplexer, als man es in ein paar Zeilen darstellen kann. Dies ist mit ein Grund, warum ich jeglichen Medienberichten seit Jahren skeptisch gegenüberstehe.
Es ist mir jedoch wichtig, dass das Projekt ChronoCity, seine Ergebnisse, meine Rolle und sein Ende korrekt und nachvollziehbar dargestellt werden, sodass der Leser auch ein den Fakten entsprechendes Resümee ziehen kann.
Daher hier eine Ergänzung der Fakten zu dem Artikel „Der Traum von siebeneinhalb Stunden“ in der ZEIT / ZEIT online von heute, dem 17.12.2023.
Der Stadtrat habe neue Betriebe gefordert, bekommen habe er Artikel in esoterischen Zeitungen. Klar dass sich die Stadträte fragten, was das mit Wirtschaftsförderung zu tun hat!
Diese Aussage, mutmaßlich eines damaligen Bad Kissinger Stadtrates, spiegelt sehr gut wieder, warum das Projekt von mir letztendlich zum 01.01.2017 beendet wurde. Ich möchte dieses Zitat als Ausgangspunkt der kleinen Zeitreise zu ChronoCity nehmen.
Warum ChronoCity?
Ich beschäftige mich seit 2002 mit der Chronobiologie. Früh war mir klar, dass dieses Thema ein Gamechanger für Unternehmen sein kann … wenn man es will. Hauptthema bei damaligen Gesprächen mit Unternehmen war jedoch das Argument, dass Eltern ja ihre Kinder in die Schule geben müssen und es dahingehend keine Möglichkeit gäbe, die Arbeitszeiten anzupassen. Und letztendlich hatte wir zur damaligen Zeit einen Fachkräfte-Überschuss. Wer also nicht spurte, konnte schnell ersetzt werden. BGM existierte damals noch nicht.
Schulen wiederum gaben an, dass sie (vor allem auf dem Land) keine Möglichkeiten hätten, Schulzeiten anzupassen, weil die Unternehmen die Arbeitszeiten vorschrieben, und zudem der Nahverkehr nicht auf spätere Schulzeiten ausgerichtet sei.
Somit kam bei mir der Gedanke auf, innerhalb einer Kommune eine strategische Experten-Schnittstelle zu schaffen, die diese Themen gemeinsam mit den Protagonisten als win-win-Situation für alle Beteiligten konzeptionell und langfristig im kommunalen Kontext angehen, ausbauen und vermarkten könnte.
Dies hat mich zu dem Gedanken einer ChronoCity gebracht, womit diese Stadt sich auch strategisch einen USP schaffen könnte. Eine Kurstadt schien mir besonders geeignet, da eine Kur historisch im Ursprung ja den Präventionsgedanken in sich trug, und Gesundheit den Kern einer Kurstadt ausmacht.
Bad Kissingen
Zum einen muss man wissen, dass die Wissenschaft der #Chronobiologie 2012 geschätzen 99% der Bevölkerung noch unbekannt war. Und wer den Begriff „Biorythmus“ damals googelte, kam überwiegend auf Websites mit esoterischem Hintergrund. Übrigens ein Grund, weswegen Chronobiologen diesen Begriff meiden und statt dessen „biologischer Rhythmus“ verwenden.
Zum anderen besprach ich im Rahmen eines Jahrestreffens der Wirtschaftsjunioren Bad Kissingen mit dem damaligen Bürgermeister Kay Blankenburg im Frühjahr 2012 meine Ideen einer ChronoCity. Sein großes Interesse hatte zur Folge, dass mehrere Gespräche mit Pressechef, Fraktionsführung, Fraktionen und letztendlich der Stadtrat selbst initiiert wurden.
Die wichtigste Aussage, die ich bei meiner Präsentation gebetsmühlenartig wiederholte war der Fakt, dass dies ein langfristiges Projekt darstellt, und keine „High-Speed“-Erfolge zu erwarten seien.
Seitens der Stadt wurde mir vor dem ersten Treffen mit den Fraktionen kommuniziert, dass man meine Funktion als obengenannten Schnittstelle in die Funktion des Wirtschaftsförderers einbetten möchte, da dieser seit ca. 2 Jahren vakant war. Somit passe dies auch in den Haushalt und könne die Kontakte zur Wirtschaft ermöglichen. Da ich ja den Betriebswirt in den Genen liegen habe, prinzipiell ein guter Ansatz, der mir aber später auf die Füße fallen sollte.
Mitte 2012 beschloss der Stadtrat dann einstimmig meine Beauftragung.
Wirtschaftsförderung
Nun ist tatsächlich eine Hauptaufgabe eines Wirtschaftsförderers, Unternehmen und Arbeitsplätze in eine Stadt zu bringen, bzw. die vorhandenen Strukturen zu stärken und Leerstände abzubauen.
Da Bad Kissingen eher als „Seniorenstadt“ bekannt war, wie auch im Artikel beschrieben, war dies schon per se kein einfaches Unterfangen. Sie war (ist) schlicht für Unternehmen wenig attraktiv, da eine „Seniorenstadt“ für junge Fachkräfte nur bedingt ein attraktives Angebot bietet. Daher war mein langfristiger Ansatz, die Stadt über eine weltweite Innovation zunächst thematisch attraktiv zu machen (ChronoCity), um in der Folge dann auch Unternehmen platzieren zu können.
Zudem sollten Unternehmen, die die Chronobiologischen Aspekte ihrer Mitarbeiter im Rahmen Ihrer BGM bzw. HRM-Aktivitäten (z.B. COPEP[2]ChronotypOptimierte Personaleinsatzplanung berücksichtigen, einen attraktiven Wettbewerbsvorteil bieten.
Ein Industriegebiet gab es bis dato nur in der Planung, sollte aber später von mir weiterentwickelt werden.
Da ich kein Angestelltenverhältnis wollte, beauftragte man meine damalige Firma als externe Wirtschaftsförderung, ich war die umsetzende Person. Erschwerend kam hinzu, dass ich für das erste Jahr lediglich als Teilzeit aktiv sein durfte. Ebenso, lag mein Budget für die Chronobiologie, und dies wurde mir erst später bewusst, im niedrigen 5-stelligen Bereich.
Dennoch konnte ich zunächst viele Mitstreiter aus Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen gewinnen, und meine insgesamt 7 Chronomeetings über die ersten 2 Jahre mit Entscheidern aus der Wirtschaft, dem Gesundheitswesen und auch der Staatsbad (Verantwortlich für die komplette Kurthematik) waren immer gut besucht und von viel Interesse und Konstruktivität getragen. Es bestand auch im Stadtrat zu diesem Zeitpunkt Konsens darüber, dass die ChronoCity den Hauptteil meiner Tätigkeit ausmachen sollte. Ebenso, dass dazu die entsprechende Zeit zur Verfügung stehen würde.
Erste Projekte in der Schule (siehe Artikel) sowie in Kliniken wurden angeschoben, und der damalige Kurdirektor der Staatsbad (wird leider im Artikel nicht erwähnt) war ein ebenfalls sehr engagierter Mitstreiter, vor allem auch auf Messen (z.B. ITB), wo jeweils auch ChronoCity vorgestellt wurde.
Ab Oktober 2013 war ich dann Vollzeit tätig. Im gleichen Monat wurde ChronoCity dann auch offiziell vorgestellt. Nur 6 Monaten später sollte im März 2014 ein Ereignis die Entwicklungen maßgeblich beeinflussen. Die Kommunalwahlen 2014 haben zwar den Bürgermeister bestätigt, jedoch den Stadtrat zu 70% neu gewürfelt.
Zunächst habe ich dem keine besondere Bedeutung beigemessen, jedoch kamen im Verlaufe des Jahres vermehrt Anmerkungen auf, dass ich als Wirtschaftsförderer ja auch andere Aufgaben als ChronoCity hätte. Meine Hinweise auf zahlreiche, nicht ChronoCity- Aktivitäten, reichten zunächst aus, die Fragen zu beantworten. Nach knapp einem Jahr kam es jedoch im Rahmen eines Treffens einer Partei, zu dem ich eingeladen wurde, zu einer größeren Diskussion, die auch mir die Augen öffnete.
Der neue Stadtrat hatte durchweg nichts von den Grundlagen des Vertragsverhältnisses bzw. der strategischen Beauftragung für das Projekt ChronoCity gewusst. Sie hatten sich bei Amtsantritt nicht darüber informiert, und waren ein volles Jahr davon ausgegangen, dass ich ChronoCity als „privates Spielzeug“ im Rahmen der Wirtschaftsförderung verfolgen würde. Sprich: Es gab innerhalb der Parteien keinerlei Informationsübergabe in Sachen strategischer Aufgabe meiner Position.
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Wir haben uns hierüber in der Partei nicht ausgetauscht!
war die finale, knappe Botschaft. Selbst der Bürgermeister hatte dies offensichtlich nicht entsprechend kommuniziert.
Das Problem war nun, dass der neue Stadtrat trotz folgender Information durch mich, meinen Fokus in Zukunft lieber auf die kurz- & mittelfristige Ansiedlung von Unternehmen, sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen legen wollte, und ich ChronoCity nur noch am Rande verfolgen sollte. Dennoch habe ich überwiegend gerade bei denjenigen, die noch vom alten Stadtrat übriggeblieben sind, Rückendeckung mit dem Hinweis erhalten, dass ohne Attraktivität eben keine Unternehmen kommen werden.
Projekte
Trotz dieser Problematik versuchte ich beides weiter strategisch zu verfolgen, und setzte meinen wirtschaftlichen Fokus auf die Revitalisierung eines wichtigen Gebietes in der Stadtmitte und des alten Kurhausbades, sowie eines Einkaufszentrums auf dem Stadtparkplatz. Das zu meiner Einstellung seit Jahren geplante Industriegebiet, wurde nach einer Bürgerbefragung bereits ein Jahr später zu Grabe getragen, jedoch noch nicht aus dem Flächennutzungsplan gestrichen.
Gleichzeitig schafften wir es mit Hilfe der wissenschaftlichen Begleitung, die Projekte in der Schule (andere Beleuchtung, spätere Prüfungszeiten, späterer Schulbeginn etc.) und in einer Klinik zu forcieren und eine Kooperation mit der Uni Lübeck zur Errichtung einer gemeinsamen Akademie in Bad Kissingen, sowie ein chronobiologisches Pilotprojekt der Fa. OSRAM nach Bad Kissingen zu holen.
Auch war ChronoCity ein Thema im wissenschaftlichen Arbeitskreis „Zeitgerechte Stadt“ der ARL, in dem ich von 2014 bis 2017 Mitglied war. Die Ergebnisse sind im Sammelband „Zeitgerechte Stadt“, natürlich auch mit einem Artikel über „ChronoCity“, enthalten.
Sommerzeit
Letztendlich, und hier steht nicht alles im Artikel der ZEIT, habe ich auch ein Idee präsentiert, wie man die Stadt Bad Kissingen zum Vorreiter in Bezug auf die Beibehaltung der Normalzeit machen kann. Denn wissenschaftlich besteht bei den Chronobiologen Konsens, dass vor allem eine dauerhafte Sommerzeit schädlich für den Menschen ist.
Der Stadtrat beschloss, trotz der geforderten Fokussierung auf die obengenannten Themen, mit starker Mehrheit, dass ich die Idee in ein tragfähiges Konzept umsetzen sollte. Nachdem dieser Beschluss in der Presse kommuniziert wurde, regte sich Widerstand bei den Befürwortern der Sommerzeit in den Reihen der Bevölkerung und vor allem auch in der Gastronomie. Sie interessierten sich nicht für die strategischen Hintergründe, die auch zu einem positiven Beschluss geführt hatten, sondern sahen nur ihre eigene Sichtweise ud angebliche Millionenverluste für die Gastronomie.
Mir war klar, dass das Thema „Sommerzeit“ europaweit emotional polarisiert und eine sachliche Diskussion oft nicht möglich ist. Dennoch wähnte ich den Stadtrat hinter mir. Ich organisierte den ersten runden Tisch Beibehaltung der Normalzeit, mit Experten aus der Wissenschaft, der Politik (EU-Ratsmitglied), Staatsbad und der Stadtverwaltung, über den ebenfalls viel berichtet wurde. Dieser runde Tisch diente auch dem Ziel, meine Argumentationsgrundlage wissenschaftlich zu festigen. Der runde Tisch sollte zu einer dauerhaften Institution werden.
Doch die Gegner der Sommerzeit waren nicht bereit sachlich zu diskutieren. Sie argumentierten völlig haltlos und griffen zunehmend meine Person selbst an, anstatt belegbare Argumente zu bringen. Dies gipfelte in einem Zeitungsbericht (Titelseite) am Tag der entscheidenden Stadtratssitzung bzgl. meines Konzeptes, in dem 3 Gastronomen sowie ein Journalist (der ohnehin ein persönliches Problem mit mir hatte) meine Gedanken noch vor der Präsentation des Konzeptes völlig ohne jegliche fachliche Argumentation angriffen. Ich selbst wurde gar nicht befragt, sodass die Einseitigkeit erklärtes Ziel des Berichts war.
Unter dem Eindruck dieser Berichterstattung hat der Stadtrat dann letztendlich kein Rückgrat mehr gezeigt, und 8 von 12 Punkten abgewiesen. 4 Punkte meines Konzeptes blieben übrig (unter anderem der runde Tisch), die ich weiterverfolgen sollte.
Diese Sitzung war auch dann der Punkt, an dem ich aufgefordert wurde, den Fokus in Zukunft überwiegend auf die bereits erläuterte klassische Wirtschaftsförderung zu legen. Also fast eine 180 Grad Wendung zu meiner vorherigen Beauftragung nur Monate vorher.
Ab diesem Zeitpunkt wurde ChronoCity in der Bevölkerung nur noch unter dem Aspekt der Sommerzeit bewertet. Wer für die Sommerzeit war, bekämpfte das Projekt, wer dagegen war, unterstützte es.
Hinzu kam, dass der Stadtrat letztendlich seine eigenen Forderungen an mich torpedierte. Die beste Möglichkeit, tatsächlich Unternehmen in die Stadt zu holen, schnitt er nämlich auf Dauer selbst ab. Die letzte Chance, Ansiedlung von Industrie noch realisieren zu können, erteilte er mit der Herausnahme des Areals aus dem Flächennutzungsplan entgültig eine Absage.
Auch dem Einkaufszentrum wurde nach über 3 Jahren Planung eine Absage erteilt. Was die Schulbeginnzeiten anging, hat sich letztendlich der Landrat (verantwortlich für den ÖPNV) quergelegt. Er war trotz intensiver Gespräche und Möglichkeiten nicht bereit, an den Buszeiten zu rütteln. Ob es daran lag, dass er und der Bürgermeister unterschiedliche Parteibücher hatten, kann ich nicht sagen. Weitere Gewerbeflächen standen jedoch kaum zur Verfügung.
Das OSRAM-Projekt (weltweit neues Lichtsetting um Wochenbettdepressionen zu reduzieren) wurde kurz vor Start nach 16 Monaten Vorbereitung ebenfalls eingestellt, da die neuen Klinikbetreiber (Helios) kurzerhand quasi von einem Tag auf den anderen die Geburtenstation zunächst temporär, dann endgültig schlossen.
Auch die Kooperation mit der UNI Lübeck wurde nicht weiterentwickelt. Die Aussage, dass man seitens des Stadtrates nicht bereit war hier zu investieren, stimmt. Jedoch zeigt dies eben genau die Sichtweise, die das Ganze Projekt geprägt hat. Man wollte viel für wenig Geld.
Die Gesamtentwicklung und das destruktive Verhalten des neuen Stadtrates haben mich (und meine Frau) letztendlich zu dem Entschluss kommen lassen, den Vertrag zum Jahresende 2016 auslaufen zu lassen und nicht neu zu verhandeln. Eine neuer Wirtschaftsförderin wurde erst zwei Jahre später gefunden, die aber nur 1 Jahr aktiv war. Inzwischen betreibt ein Duo die Wirtschaftsförderung.
Fazit
Der Stadtrat habe neue Betriebe gefordert, bekommen habe er Artikel in esoterischen Zeitungen. Klar dass sich die Stadträte fragten, was das mit Wirtschaftsförderung zu tun hat!
Wer Betriebe fordert, darf notwendige Maßnahmen (Industriegebiet, Einkaufszentrum etc.) nicht unterbinden. Und wer etwas googelt wird feststellen, dass keine einzige esoterische Zeitung darüber berichtet hat. Den Nobelpreis für 3 Chronobiologen gabs kurioserweise nur ein paar Monate später in 2017. Das heute noch ein ehem. Stadtrat in diesem Zusammenhang von Esoterik spricht, zeugt von dieser beschriebenen destruktiven Ignoranz.
Ich gebe unumwunden zu, manche Entwicklungen, wie z.B. in Bezug auf die Standfestigkeit der Positionen, falsch eingeschätzt zu haben. Aber ein Projekt, welches so weltweit noch niemand durchgeführt hat, lebt einzig von eigenen Erfahrungen.
Eine Haupterfahrung ist, dass strategische Projekte in der Politik immer am seidenen Faden einer Legislaturperiode hängen. Aber auch, dass Politik nichts mit unternehmerischem Denken oder gar unternehmerischer Logik zu tun hat, das durfte ich schmerzhaft lernen. Wer mit Mini-Budget in kürzester Zeit, und 4 Jahre sind in der Wirtschaftsförderung für ein strategisches Projekt sehr wenig Zeit, maximalen Output erwartet, wird nie zufrieden gestellt werden. Es geht aber auch in der kommunalen Politik in erster Linie um Parteiziele und persönliche Sichtweisen bzw. Präferenzen.
Die über 4 Jahre waren sehr komplex und ich kann hier nur die wichtigsten Ansätze und Ereignisse in Bezug auf „ChronoCity“ darstellen.
ChronoCity - ein zu großes Projekt?
Ja, ich war extrem enttäuscht. Zum einen, über die Entwicklungen im Stadtrat, aber auch von mir selbst, dass ich maßgebliche Dinge nicht gesehen habe. Vielleicht lag dies tatsächlich an meinem Enthusiasmus.
War es ein zu großes Projekt, wie der ehemalige Bürgermeister im Artikel der ZEIT zitiert wird? Es war ein großes, aber in meinen Augen keineswegs zu großes Projekt. Denn nicht die Größe eines Projektes oder die Größe der Schritte, sondern die Konsequenz in der Umsetzung sind maßgeblich für den Erfolg. Großen Projekten kann auch mit kleinen Schritten eine Eigendynamik eingehaucht werden. Sich schlagartig ändernde Erwartungshaltungen tragen aber eben nicht zu der notwendigen Konsequenz bei, die alle maßgeblichen Stakeholder hätte zeigen müssen.
Ich bin dennoch keineswegs im Groll gegangen. Ich sehe, was erreicht wurde, und nicht was nicht erreicht wurde, so wie es auch die ehemalige wissenschaftliche Begleitung, Thomas Kantermann, im Artikel darstellte. Ich habe trotz der Entwicklungen viele Menschen mit Rückgrat an meiner Seite gehabt, die die Entwicklungen selbst stark bedauert haben.
Und in 2018 ging mir ein Zeitungsbericht zu, in dem sogar in einem Artikel die Äußerung stand:
Es ist bedauerlich, dass Herr Wieden damals die Wirtschaftsförderung nicht weitergeführt hat!
Ich habe mit dem Projekt abgeschlossen und möchte prinzipiell auch nicht negativ über Bad Kissingen als Stadt sprechen. Das Projekt hat mich und das Thema Chronobiologie maßgeblich weitergebracht, und mir und den Beteiligten ein Füllhorn an, auch politischen, Erfahrungen ermöglicht. Auch bin ich dem ehemaligen Bürgermeister und vor allem seinem direkten Team sehr dankbar für die Möglichkeit und den Mut, den man mit diesem Projekt bewiesen hat.
Die ersten Gespräche mit einer anderen Kommune zu „ChronoCity“ wurden 2020 von der Pandemie geschluckt. So bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass ein solches Projekt, wird es tatsächlich langfristig konsequent getragen, zu einem weltweit relevanten USP mit hoher Attraktivität für eine Stadt ausgebildet werden kann. Jedoch muss man in der Lage sein, langfristig zu denken und auch diskussionsresistente Bedenkenträger entsprechend zu bewerten. Man muss bereit sein, den Satz „Das geht nicht, weil … !“ durch ein „Wie bekommen wir es hin, dass … !“ auszutauschen. Und eine kleine Portion Bereitschaft zur Verrücktheit gehört auch dazu.
Mein fettes DANKE geht an den Kreis derer in meinem damaligen direkten Arbeitsumfeld, die immer hinter mir gestanden waren.
Michael Wieden
P.S. Ich werde noch einen Ausführlichen Artikel zu dem Projekt selbst schreiben. Hier aber zunächst ein Link zu meinem Kapitel „ChronoCity“ in der Publikation „Zeitgerechte Stadt“ der ARL – Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft. An diesem Arbeitskreis habe ich 3 Jahre mitgewirkt.
Referenzen[+]
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