Chronoworking - Chronobiologie im Personalmanagement

Chronoworking – Ich arbeite jetzt über 20 Jahre an diesem Thema, habe Bücher dazu geschrieben, Pilotprojekte umgesetzt … und jetzt wird es wohl tatsächlich zum Trend erklärt – Arbeitszeiten nach Chronotypen.

Business Insider und die amerikanische Presse heben Chronoworking nun auf Business-Niveau.

Chronoworking seit 2002 - Michael Wieden
Mein erster Workshop 2003

Chronoworking beschreibt die Arbeit unter Berücksichtigung der individuellen inneren Uhr, also das, was wir unter COPEP (Chronotypoptimierte Personaleinsatzplanung) in ersten Pilotprojekten bereits in einer Klinik und einem Unternehmen umgesetzt haben.

Der Business-Insider hat nun dieses Thema ebenfalls beschrieben und es ist davon auszugehen, dass diesem Thema in Zukunft immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden wird. Was aber genau ist nun Chronoworking?

Chronobiologie

Den Background für diesen Trend liefert die Wissenschaft der Chronobiologie. Sie beschreibt die zeitliche, oder besser gesagt rhythmische Organisation von Lebewesen. Im Kern dieser Wissenschaft steht vor allem der sogenannte Circadiane Rhythmus, also der Tag-/Nachtrhythmus, und, mit diesem untrennbar verbunden, der Schlaf-/Wachrhythmus der Lebewesen, im Speziellen der Menschen. Zwar gibt es tausende sogenannter innerer Uhren, im Fokus steht jedoch DIE innere Uhr, die sogenannte Masterclock, oder genauer: Der Suprachiasmatische Nucleus (SCN).

Dieser versteckt sich unterhalb der Sehnervkreuzung und ist keine Uhr, sondern eher zentraler Impulsgeber für den Schlaf-Wachrhythmus und in der Folge für alle weiteren inneren Uhren im Körper.

Die Struktur dieses SCN bestimmt dabei wie wir ticken, denn jeder tickt anders. Hierbei wird in sogenannte Chronotypen unterschieden.

Chronotypen

Der Begriff „Chronotyp“ beschreibt die zeitliche Lage des Schlaf-/Wachrhythmus im Tagesverlauf. Hierbei wird in der Wissenschaft zwischen 7 Chronotypen unterschieden.

Chronotyp ist zentral für dein ChronoWorking
  1. 1. Extremer Frühtyp
  2. 2. Moderater Frühtyp
  3. 3. Leichter Frühtyp
  4. 4. Normaltyp/Mediantyp
  5. 5. Leichter Spättyp
  6. 6. Moderater Spättyp
  7. 7. Extremer Spättyp

1-3 werden auch als „Lerche“, 4 als „Taube“ und 5-7 als „Eule“ bezeichnet. Es gibt zwar weitere Chronotypen (Bär, Löwe, Delphin, Wolf) des amerikanischen Schlaf-Experten Dr. Michael Breus, die jedoch im Kern keine Chronotypen darstellen, sondern nur als solche von ihm bezeichnet werden. Mehr dazu hier.

Der wichtige Punkt dabei ist eben, dass die Chronotypen im Kern genetisch basiert sind. Ein Frühtyp kann nicht mal eben ohne Veränderung spezieller Verhaltensweisen und auch des Ortes zum Spättypen mutieren (oder umgekehrt).

Der Chronotyp und die Gesellschaft

Über 70% der deutschen Bürger wachen ohne Wecker auf, was bedeutet: Sie leben gegen ihre innere Uhr. Überwiegend sind daran Schul- und Arbeitszeiten schuld. Sie kommen ausschließlich den Frühtypen (ca. 20% der Gesellschaft) entgegen. Dies hat extreme Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen aber auch auf die Volkswirtschaft.

Das vor allem hierdurch entstehende Schlafdefizit kostet die deutsche Volkswirtschaft beispielsweise über 60 Mrd. €/Jahr, was mehr ist, als der Verteidigungshaushalt der Bundesregierung. (Stand 03.2024)

Hinzu kommt eine Stigmatisierung der Spättypen, die oft als Penner, faul und nicht motiviert betrachtet werden. Dabei lassen die Gene schlicht kein anderes Verhalten zu. Den meisten Spättypen ist es somit gar nicht möglich, einfach mal eben früher einzuschlafen. Im Kern geht es dabei um das Melatonin, das Einschlafhormon unseres Körpers.

DLMO – DER Schlaf-/Wachmarker

Wann unsere Melatoninausschüttung am Tag dauerhaft eine bestimmte Konzentration im Blut übersteigt, ist im Kern genetisch bestimmt. Diesen Zeitpunkt nennt man DLMO (Dim Light Melatonin Onset). In unseren Projekten lag die Differenz zwischen dem frühesten DLMO und dem spätesten bei 13,5h. Das bedeutet, dass sich die beiden Extremausprägungen ein Bett teilen könnten, ohne sich jemals zu begegnen.

Diesen Zeitpunkt kann man nur mit künstlichen Mitteln beeinflussen. Zum einen natürlich durch die Supplementierung von Melatonin. Aber vor allem Licht hat großen Einfluss darauf, denn helles Licht bzw. der Blaulichtanteil im Sonnenlicht verhindert die Ausschüttung von Melatonin. Dies ist auch der Grund, weswegen man abends helles Licht bzw. Blaulicht vermeiden sollte.
Während man also die Melatoninausschüttung durchaus verzögern kann, ist es nicht möglich diese früher zu legen, ausser eben durch externe Supplementierung. Und genau dies ist das Problem, das Spättypen haben.

Chronoworking – Die Lösung?

Egal wie wir es nennen: Chronoworking, COPEP®, Liquid Work, Arbeiten nach der inneren Uhr … die Berücksichtigung des eigenen Chronotyps bei Arbeits- und Schulzeiten birgt ein gewaltiges Potenzial für die Menschen, aber auch für Unternehmen, Bildung, Gesundheitswesen und am Ende für die Gesellschaft.

ChronoWorking - Die Natur des Menschen berücksichtigen

Chronoworking in der Arbeitswelt

Im Kern geht es dabei um die bestmögliche Berücksichtigung der Chronotypen der Mitarbeiter*innen bei der Personaleinsatz- und Schichtplanung. Um es gleich vorwegzunehmen … es geht dabei nicht um das was nicht geht, sondern um das, was realisiert werden kann. Also … optimieren statt perfektionieren.

Wir haben in unseren Projekten den Chronotyp von 180MA analysiert, und in der Folge auf verschiedenen Wegen die Arbeitszeiten optimiert:

  1. Selbstorganisation:
    Im Rahmen des Projektes „Aufstehen ohne Wecker“ in der Fa. Späh haben wir nach der Chronotypisierung mittels RNA-Chronotyptest von BodyClock 12 Mitarbeitern den Auftrag gegeben, möglichst auszuschlafen, also ohne Wecker aufzustehen. Dabei haben wir keine Organisation vorgegeben, sondern diese den Mitarbeitern und den jeweiligen Teams selbst überlassen. Die anfängliche Skepsis ist im Laufe des Projektes gewichen. Durch den offiziellen Auftrag auszuschlafen haben sich die Teilnehmer etwas getraut, was sie ansonsten nicht getan hätten … sich Zeit zu nehmen.
Chronobiologie Projekt Späh Michael Wieden
Das Projekt "Aufstehen ohne Wecker" in der Sendung "W wie Wissen"

Die interne Organisationsfindung hat funktioniert. Die Ergebnisse waren beeindruckend. Für das Unternehmen war aber vor allem eine Erkenntnis extrem hilfreich: Es musste nicht viel verändert werden, denn flexible Arbeitszeiten gab es schon länger. Jedoch wurden diese nun wesentlich intensiver wahrgenommen, kamen doch Spättypen zuvor trotz der möglichen Flexibilität dennoch um 7.00 Uhr, weil sie eben nicht als „verpennt“ gelten wollten. Nicht selten führt eben dieses Dogma in Unternehmen dazu, dass sich viele an wenigen orientieren, um nicht aufzufallen. Dieses Projekt hat nun diesen Knoten platzen lassen.

Mehr zu diesem Projekt und den Ergebnissen hier.

COPEP:
Eine solche „Selbstorganisation“ ist jedoch nicht überall möglich, erst recht (noch) nicht innerhalb der Schichtarbeit. Bei COPEP geht es in erster Linie darum, auf Basis der biologischen, genetisch bedingten Schlafzeiten, optimale Arbeitszeiten zu ermitteln. Diese Zeiten stellen sozusagen den Ausgangspunkt für Chronoworking dar. Auf dieser Basis wird dann ermittelt, wie diese bestmöglich innerhalb der Arbeitszeit- und Schichtplanung realisiert werden können.

Vorstellung des Projektes COPEP bei den Gesundheitstagen in der Klinik Wartenberg
Vorstellung des Projektes COPEP bei den Gesundheitstagen in der Klinik Wartenberg
Die Ergebnisse des wissenschaftlich begleiteten Projektes.

Natürlich müssen hier betriebliche Gegebenheiten berücksichtigt werden, aber es besteht dadurch auch die Chance, diese zu hinterfragen, ob eine Anpassung durch die Nutzung von COPEP nicht sogar wesentlich effektiver wäre. Aber auch Meetings können effektiver gestaltet werden, indem die Zeiten genutzt werden, in denen die meisten oder sogar alle keinen Durchhänger haben.
In unseren Projekten an der Klinik Wartenberg hat sich die Tagesmüdigkeit nach Einführung der chronobiologischen Maßnahmen drastisch verringert (siehe Ergebnisberichte hier), was im Umkehrschluss bedeutet: Geistig fittere Mitarbeiter.

Reduzierte Fehlzeiten, erhöhte Aufmerksamkeit, erhöhte Motivation und vieles mehr durch den Einsatz von COPEP, bietet Arbeitgebern gewaltiges Potenzial, was sich in kürzester Zeit amortisiert.

Mehr zu diesen Projekten und den Ergebnissen inkl. Whitepaper hier:

Chronoshooling - Chronoworking in der Schule

Das zweite riesige Potenzial liegt in der Optimierung von Schulbeginn- und Prüfungszeiten. Genaugenommen findet aktuell eine gewaltige Diskriminierung von Normal- und vor allem Spättypen statt. Die Tatsache, dass Jugendliche per se schon später ticken als Erwachsene, bringt den wenigen Frühtypen einen genetischen Vorteil, der Auswirkung auf das komplette (Berufs-)Leben haben kann. Eine wegen Übermüdung verpatzte Prüfung hat Auswirkungen auf das restliche Leben dieser Person. Da Prüfungen überwiegend morgens starten, bedeutet dies: Vorteil für Frühtypen, Nachteil für den Rest.

Das hierbei verschenkte volkswirtschaftliche Potenzial durch diese Diskriminierung ist, unabhängig von dem Leid, das dadurch entsteht, riesig, denn Studien haben ergeben, dass z.B. spätere Schulbeginnzeiten tatsächlich zu besseren Noten führen würden. Dies hat übrigens auch ein wissenschaftlich begleitetes Projekt an einem Gymnasium im Rahmen meines „ChronoCity“-Projektes (2012 – 2016) ergeben, in dessen Verlauf über 600 Schüler über einen wissenschaftlichen Fragebogen chronotypisiert wurden.

Bericht in der ELTERN Family über das ChronoSchooling-Schulprojekt
Bericht in der ELTERN Family über das ChronoSchooling-Schulprojekt

ChronoClinic - Chronobiologie in der Gesundheitsbranche

Nicht konkret um Chronoworking, aber dennoch um entsprechende Effekte geht es im Rahmen der Gesundheitsbranche. Chronomedizin ist in der Wissenschaft schon lange ein Thema, vor allem, nachdem der Krebsspezialist Francis Levi bereits um die Jahrtausendwende die Effekte der Berücksichtigung chronobiologischer Parameter bei der Krebsttherapie nachweisen konnte.

Egal ob Therapien, Operationszeiten, Medikamentenverabreichung (ChronoPharmakologie) .. das Feld ist groß. Selbst bei der Besetzung von Patientenzimmern ist es sinnvoll, gleiche Chronotypen in die Zimmer zu legen. Hierdurch kann erreicht werden, dass durch entsprechend optimierte Visiten- und Essenszeiten ein schnellerer Heilerfolg erzielt werden kann. Also Eulen- und Lerchenzimmer statt Mischzimmer.
Denn sind wir ehrlich: Ist es der Gesundung förderlich, wenn morgens um 7.00Uhr der Oberarzt die Patienten aus dem Schlaf reißt, um dann nach 2 Minuten wieder mit den Worten „Jetzt können sie weiterschlafen“ das Zimmer zu verlassen?


Die heilende Wirkung von Schlaf, hat bisher noch kaum Einzug in das „Therapiebesteck“ der Kliniken Einzug gehalten. Paradox … zumal es kein Geld kostet.

Grundsätzliche Fragestellung

Es steht zur Debatte, ob es sich eine Volkswirtschaft leisten kann, über die sture Beibehaltung eines Status Quo derartige Potenziale nicht zu nutzen. Dies gilt sowohl für die Arbeitswelt, als auch für die Bildung. Bisher konnte man sich als Arbeitgeber noch mangels Wissen entschuldigen. Aber jetzt sind unsere Pilotprojekte und deren Ergebnisse da. Die positiven Effekte sind bewiesen und die Wege sind beschrieben.
Chronoworking kann hier vielleicht DER Impuls sein, der das zum Rollen bringt, was ich vor 20 Jahren beschrieben habe.

Damals wurde ich nicht selten als „Esoteriker“ belächelt, als ich mit den ersten Personalchefs gesprochen hatte. Betriebliches Gesundheitsmanagement gab es noch nicht, und ein Fachkräfteüberschuss lies Unternehmer*innen keine Notwendigkeit erkennen, sich für die Gesundheit des Personal einzusetzen. Aber die Zeiten haben sich geändert, und Unternehmen wie die Klinik Wartenberg haben die Chance ergriffen, solche Themen auch als Alleinstellungsmerkmal im Kampf um Fachkräfte zu platzieren. Dies geht dort sogar soweit, dass das Recht auf Berücksichtigung des Chronotyps bei der Personaleinsatzplanung in den Betriebsvereinbarungen verankert wurde.

First Mover wie die Klinik Wartenberg zeigen, dass es geht. Chronoworking wird die Zukunft sein. Der Samen ist gesetzt, und die Ernte wird kommen. Wer ernten wird, wird sich zeigen.

ChronoCoach – Ausbildung zum Experten für Chronoworking

Bereits letztes Jahr haben wir eine Ausbildung entwickelt, die genau diese Themen beschreibt, und unsere Erfahrungen aus den Pilotprojekten beinhaltet.

Mit dem emtrasens® Familienschlafcoach & Chronocoach®, dem ChronoCoach® und dem ChronoCoach® Business können in der Zukunft erstmals ausgewiesene Experten Chronoworking in Gesellschaft und die Arbeitswelt transferieren.

Mehr zu den Ausbildungen hier.

ChronoCoach Ausbildung Chronobiologie