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„Es sind die Kunden, die entscheiden, was gekauft wird“. Kaum ein Ökonom, Wirtschaftswissenschaftler oder Unternehmer würde dem widersprechen. Denn hierauf basiert letztendlich auch die Rechtfertigung, Dinge anzubieten, die wider jedwede Sinnhaftigkeit zu sein scheinen. Vor allem aber bietet es auch nach wie vor die Basis für die Rechtfertigung „billig vor nachhaltig“ in den Regalen stehen zu haben. Es scheint so, als sei der „Käufermarkt“ tatsächlich fest in der Hand der Käufer. Er ruft, und die Wirtschaft liest die Wünsche von seinen Augen ab. Da mag es oft tatsächlich keinen Sinn machen, Produkte auf den Markt zu bringen, die der Kunde offensichtlich nicht akzeptiert.
Nehmen wir als Beispiel einmal Billigware aus China. China ist zum Rettungsanker der deutschen Wirtschaft geworden, und ist einer der Gründe, warum es der deutschen Wirtschaft im Gegensatz zu den anderen europäischen Partnern noch vergleichsweise gut geht. Aber hierzu mehr in einem anderen Artikel. Wer aber hat nach Produkten aus China gerufen? Haben Konsumenten verlangt „baut Eure Produkte doch in China“? Sicher nicht. Aber so kurz würde auch niemand argumentieren. Grund ist schließlich nicht der Ruf nach chinesischen Produkten sondern nach billigen Produkten
„Hart aber fair – Sind wir doch blöd?“
Diese im März 2012 ausgestrahlte Sendung zeigt, wie Menschen wie ferngesteuert bei Eröffnungen von Schnäppchenläden und Media-Märkten die Läden stürmen. Sogar Verletzungen werden in Kauf genommen, nur um einmalig ein paar Euro zu sparen. Was sie da kaufen, ist in letzter Konsequenz zweitrangig, ebenso wie der tatsächliche Preis. Eine weit beachtete Studie von Christian Elger, Neurowissenschaftler, erklärt, warum das menschliche Gehirn bei Sonderangeboten „austickt“! (Interview – Focus Online)
Erfolg als intrinsischer Schnäppchenmotivationsfaktor
In dieser Fernsehdiskussion wird ein solches „Austicken“ mit dem Jäger- und Sammlertrieb des Menschen beschrieben. Dies ist in meinen Augen jedoch so nur zum Teil korrekt, denn wenn man genauer Hinsieht ist dieser Trieb nur ein Symptom und keine genetische Prädisposition. Im Kern geht es primär schlichtweg, egal ob urzeitliche Jagd, Sammeln oder Schnäppchen um Erfolg. Erfolg hat überwiegend gesellschaftliche Anerkennung zur Folge. Auch die „Erfolgreichen“, also die Reichen, dokumentieren Ihren Erfolg ebenfalls über die Darstellung von Gekauftem (Bekleidung, Autos etc.) nach Aussen, um die gesellschaftliche Anerkennung zu erhalten. Dabei zeigt sich immer wieder, dass die Ursache für den Erfolg (z.B. erfolgreiche Firma) offensichtlich für das persönliche Selbstwertgefühl nicht ausreicht. Erst das sichtbare Feedback der Masse durch die Darstellung der „Erfolgssymbole“ bilden ausreichend Futter für ein entsprechendes Selbstwertgefühl.
Was aber passiert bei Menschen, die einen solchen beruflichen Erfolg nicht haben? Sie haben nichts, was sie nach Aussen präsentieren können, um ihr vielfach nicht vorhandenes Selbstwertgefühl aufpolieren zu können.
Exakt hier setzt der Rettungsring „Schnäppchenkauf“ an. Schnäppchenkäufe sind die perfekte Grundlage, um Erfolg nach Aussen darstellen zu können. Seitdem Geiz salonfähig geworden ist, kann man mit „viel für wenig“ Gekauftem sein Selbstwertgefühl auf Vordermann bringen. Ein erfolgreicher Schnäppchenjäger braucht kein Geld, um Erfolg dokumentieren, und damit Anerkennung in seinem sozialen Umfeld (!) erhalten zu können. Ganz im Gegenteil, der Erfolg liegt sogar darin viel (Ware) für wenig (Geld) zu bekommen.
Gerade die Unterschicht ist, mangels vor allem beruflicher Erfolge, ein dankbarer Empfänger solcher Möglichkeiten, erfolgreich sein zu können. Und genau dies, weiß man in der Werbung und im Marketing erfolgreich zu nutzen.
Fazit: Der Kunde bestimmt nicht mehr den Markt, Steve Jobs wußte das.
Nein, der Kunde ist es nicht mehr, der den Markt beherrscht. Die Industrie formuliert den Kundenwunsch mundgerecht, exakt und „customer-wording“- optimiert, so dass er nur noch nachgesprochen werden muss. Denn die meisten Kunden werden indirekt, aber nie spürbar mit der suggestiven Frage „Du wolltest es doch schon immer, oder?“ zu den Produkten hingeführt, welche sie dann mehr oder weniger ferngesteuert, aber keineswegs willenlos (sie wollen es tatsächlich) kaufen.
Der Käufermarkt ist in den meisten Branchen also eine Illusion. Eine Illusion, welche aber zum Konzept gehört. Denn der Kunde braucht das Gefühl, selbst entscheiden zu können, nur dann stellt sich das Gefühl ein, Erfolg zu haben. Das Bewusstsein, eigentlich von einer neuen Form des Verkäufermarktes gesteuert zu werden, käme, zumindest in der Masse, nicht gut an. Die vermeintlich eigene Entscheidung, ist eigentlich keine. Sie ist geplant inszeniert, und ob des so intensiven Wunsches nach „Individualität“ so erfolgreich. Denn nichts wünschen sich die Menschen mehr als „Sicherheit“ und „Individualität“. Also quasi die Maslowsche Pyramide im Paket. Die daraus eigentlich resultierende „Massenindividualität“ via community gibt auf der einen Seite die Sicherheit, nicht alleine da zu stehen (echte Individualität), auf der anderen Seite die vielfache Bestätigung, dass man doch wirklich auch ein Individuum ist, welches dem „mainstream“ nicht folgt. Den sich dadurch ergebenden Widerspruch erkennen viele nicht, oder besser, wollen ihn gar nicht mehr erkennen. Eine echte win-win-Situation also. Jeder hat, was er will … auch wenn der eine Part vorher nie weiß, dass er es einmal wollen wird!
Ein Perfektionist auf diesem Gebiet war übrigens Steve Jobs. Es gab z.B. keine einzige Kundenerhebung oder Befragung, welche die Entwicklung eines iPhone gerechtfertigt hätte. Gar nicht zu reden von dem Preis, mit welchem in den Markt eingestiegen wurde. Jobs jedoch war sich der „Treue“ und der Multiplikatorenrolle seiner Fangemeinde bewusst. Design lautete sein Credo, ist der Schlüssel zum Erfolg, nicht alleine die Funktionlität. „Sex sells“ via sexy design. Und Sexyness steht für … Erfolg! Und… es funktionierte perfekt! Ob der doch eher technikorientierte neue Kopf dies tatsächlich so weiterführen kann, muss abgewartet werden. Denn in Jobs´ Kopf spielte sich (s)eine eigene Welt ab. Und er wusste, was diese Menschen in dieser Welt wollen, musste es also nur auf die reale Welt übertragen. Quasi seine eigene Glaskugel. Mit seinem Tod ist diese jedoch für immer verschwunden. Und jetzt fehlt jemand, der den Menschen nun sagt, was sie zu wollen haben! Ob Tim Cook dies fortsetzen kann?
Wie sieht es aber in Unternehmen selbst aus? Wieviel Entscheidungsfreiheit haben Manager eigentlich noch? Warum finden Bücher und Seminare mit pauschalen Handlungsanweisungen, Methoden und Systemen von allerlei Trainern und Coaches so reißenden Absatz? Warum wissen diese Menschen, wie mein Unternehmen nachhaltig funktioniert, wenn diese doch keinen einzigen Mitarbeiter meines Unternehmens kennen?
Michael Wieden
P.S. Mehr zum Thema „Eigene Entscheidung“ auch in meinen Büchern