Ausgangssituation
Projekt „Aufstehen ohne Wecker“:
12 Teilnehmer*innen
16 Wochen zur Arbeit kommen, wenn man ausgeschlafen ist
3 Wochen Referenzzeitraum davor noch ohne Veränderung dienten als Baseline
Zeitraum: Januar 2019 – Juni 2019
Ziele
Auf Seiten der Mitarbeiter:
- Reduzierung von Krankheitsrisiken vor allem im Bereich der psychischen Belastung (BurnOut, Depression, psychosomatische Folgen etc.)
- Verbesserung des persönlichen Wohlbefindens
- Erhöhung der durchschnittlichen Schlafdauer
- Verbesserung der Schlafqualität
Auf Seiten des Unternehmens
- Reduzierung der Fehlzeiten
- Reduzierung der Fehlerquote
- Erhöhung der Motivation
- Stärkung des Employer Branding
- Fachkräftegewinnung
Das Projekt
12 Mitarbeiter*innen konnten über 4 Monate hinweg ohne Wecker aufwachen. Ziel war unter anderem herauszufinden wie ihre innere Uhr tickt. Die Teilnehmer*innen wurden von mir ausführlich über die Thematik informiert und in einem Workshop gebrieft. Zu Beginn des Projektes wurde jedem eine Blutprobe zur Chronotypenbestimmung entnommen. Dieses Blut ging zur Analyse an die Projektgruppe „BodyTime“ um Prof. Achim Kramer an der Charité Berlin. Die Wissenschaftler analysierten nun das Blut um den DLMO zu ermitteln.
Der DLMO (Dim light Melatonin Onset) ist der Zeitpunkt, zu dem Abends die Melatoninausschüttung beginnt. Dieser Zeitpunkt ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Darauf basierend wurde auf wissenschaftlicher Basis der Chronotyp bzw. die biologische Schlafzeit ermittelt. Über die Projektzeit hinweg haben die Teilnehmer dann täglich ein Tagebuch geführt, um Entwicklungen zu dokumentieren. Diese Tagebücher wurden am Ende wissenschaftlich ausgewertet.
Kennst du deinen Chronotyp wirklich?
Das Ergebnis
Weckernutzung
Im Referenzzeitraum (3 Wochen) nutzten im Schnitt 68,1% der Teilnehmer einen Wecker. In den darauffolgenden Wochen im Schnitt nur noch 18,09%, wobei sich die Tendenz zum Ende des Studienzeitraumes weiter abnehmend zeigt. Die Teilnehmer trauten sich offensichtlich zunehmend den Wecker tatsächlich abzustellen. Weiterhin war die Restnutzung des Wecker teilweise auch immer wieder unabdingbaren betrieblichen Notwendigkeiten geschuldet, die in kurzfristig nicht angepasst werden konnten.
Hier konnte beobachtet werden, dass die positiven Auswirkungen des zunehmenden Wegfalls eines Weckers sich auch positiv auf die Resttage mit Weckernutzung ausgewirkt haben.
Alleine die Freiwilligkeit und die zunehmende Nutzung haben also bereits positive Auswirkungen im Gesamtbild ergeben.
Schlafdauer
Die Ergebnisse überraschen nicht wirklich. Auch wenn die Testgruppe relativ klein war, läßt sich ein eindeutiger Trend erkennen. Schliefen die Teilnehmer im Referenzzeitraum ca. 7.05 Stunden, waren es in den folgenden 13 Wochen 7.35 Stunden. Somit wurde im Schnitt 30 Minuten länger geschlafen. Interessant ist dabei, dass fast 60% zwischen 31 und 77 Minuten länger geschlafen haben. Zwei Teilnehmer*innen schliefen hingegen weniger als in der Referenzzeit, was sich in der Berechnung des Durchschnitts aller Teilnehmer*innen bemerkbar gemacht hat. Von diesen war ein Teilnehmer lt. Bluttest ein moderater Frühtyp. Frühtypen haben oft weniger von der Freiheit ohne Wecker aufzuwachen, da sie vielfach ohnehin ohne Wecker zu den entsprechenden Zeiten aufwachen. Interessanterweise setzt sich der Mehrschlaf an Arbeitstagen nicht nur aus einem späteren Aufwachen, sondern auch durch früheres Einschlafen zusammen.
Ein weiterer interessanter Effekt war, dass an Wochenenden wiederum 24 Minuten kürzer geschlafen wurde. Dort reduzierte sich die durchschnittliche Schlafdauer von 7.47 Stunden auf 7.28 Stunden. Die Notwendigkeit des Nachschlafens am Wochenende scheint sich also zu reduzieren, indem sich die Schlafdauer an Arbeitstagen und an freien Tagen angleichen.
Leistungsfähigkeit am Morgen
Auch in Bezug auf die Leistungsfähigkeit konnte in dem Testzeitraum eine Tendenz festgestellt werden. An Tagen ohne Wecker nimmt der Prozentsatz von positiv bewerteter ( Werte die in Richtung Bestbewertung streben) Leistungsfähigkeit von anfangs 54 – 69 auf Werte über 90 gegen Ende der Studie zu. Sogar an den Resttagen mit Wecker nimmt der Prozentsatz von positiv bewerteter Leistungsfähigkeit von anfangs 55 – 70 auf 100 gegen Ende der Studie zu. Dies läßt vermuten, dass die durchschnittlich längere Schlafdauer sich auch positiv auf die Leistungsfähigkeit an den Tagen niederschlägt, an denen die Teilnehmer*innen aus verschiedenen Gründen doch zum Wecker greifen mussten.
Die Bewertung der Leistungsfähigkeit ist natürlich eine subjektive Wahrnehmung. Eine positive Wahrnehmung ist jedoch in sich schon als sehr positiv auch für das Unternehmen zu bewerten, hat dies doch auch Einfluss auf die Motivation.
Schlafqualität an Arbeitstagen
Die Anzahl der positiven Bewertungen ( Werte die in Richtung Bestbewertung streben) nimmt über die Studienwochen hinweg zu. An Tagen mit Wecker nimmt der Prozentsatz von positiv bewerteter Schlafqualität von anfangs 64 – 85 auf 100 gegen Ende der Studie zu. An Tagen ohne Wecker nimmt der Prozentsatz von positiv bewerteter Schlafqualität von anfangs 77 – 83 auf 90 – 100 gegen Ende der Studie zu.
Zusammenfassung der Ergebnisse
- Das Weglassen des Weckers am Morgen ermöglichte den Teilnehmer*innen sowohl an Arbeitstagen wie auch an freien Tagen länger zu schlafen. Dieser Effekt resultierte sowohl aus einer früheren Einschlafzeit sowie einer späteren Aufwachzeit.
- Über den 16-wöchigen Studienzeitraum hinweg zeigte sich eine positive Entwicklung der subjektiven Bewertung der Schlafqualität sowie der Leistungsfähigkeit am Morgen.
- Über den 16-wöchigen Studienzeitraum hinweg zeigte sich eine positive Entwicklung der subjektiven Bewertung der Schlafqualität sowie der Leistungsfähigkeit am Morgen.
Fazit des begleitenden und auswertenden Wissenschaftlers
„Die Ergebnisse dieser Pilotstudie sind als aussagekräftig und positiv zu bewerten. Eine Fortführung der Möglichkeit des Verzichts auf den morgendlichen Wecker an Arbeitstagen wird empfohlen.“ Prof. Dr. habil. Thomas Kantermann
Konsequenzen
Im Ergebnis wurde deutlich, dass es manchmal nicht der großen Umwälzung bedarf um gesundheitlich und unternehmerisch positive Veränderungen zu erreichen. Dieses Projekt hat deutlich gezeigt, welchen positiven Einfluß das Arbeiten nach der inneren Uhr aber auch schon das Wissen um die Chronobiologie, z.B. durch firmeninterne Vorträge und Workshops, auf den Abbau von psychologischem Druck hat. Gerade durch gefühlte Erwartungshaltung von Kollegen und Firmenleitung entsteht häufig der Druck, trotz Gleitzeit-Angebot früh am Arbeitsplatz sein zu müssen.
Durch das Projekt „Aufstehen ohne Wecker“ haben am Ende Mitarbeiter Gleitzeiten in wesentlich größerem Umfang wahrgenommen als zuvor. Die Mitarbeiter schliefen im Schnitt 30 Minuten länger und Teilnehmer*innen berichteten in den abschließenden Interviews, dass der Durchhänger nach dem Aufstehen wegfiel, sodass sie wesentlich konzentrierter ihre Arbeit beginnen konnten. Eine solche Entwicklung erzeugt durch Bewusstsein und Erfahrung mehr Schlaf, Fitness am Morgen, Konzentration und Zufriedenheit, ohne dass es per se einer Umstrukturierung in Bezug auf die Arbeitszeiten bedarf .
Presse & Medien
Das Medienecho war groß. Hier finden Sie einen Auszug, teilweise mit Links zu den jeweiligen Berichten. Einige fallen unter die Bezahlschranke der jeweiligen Verlage. Einige sind nur temporär erreichbar (z.B. ARTE)
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