"Dieses Buch war/ist in Sachen Personalmanagement seiner Zeit weit vorraus."Diesen Satz höre ich gerade jetzt…
Kann ich über einen Bluttest meinen Chronotyp bestimmen?
Update: Seit April 2021 gibt es zur Chronotyp – Bestimmung den neuen BodyClock RNA-Test auf Basis von Haarwurzeln bzw. Haarfolikeln. Die Analyse selbst ist die gleiche wie beim Bluttest. Es werden hier nur Haarwurzelproben statt einer Blutprobe verwendet!
Schon kurz vor der Jahrtausendwende hat der französische Krebsspezialist Francis Lévi festgestellt, dass sich die Krebstherapie um ein vielfaches effizienter und mit weniger Nebenwirkungen verbunden durchführen lässt. Er erreichte dies, indem er die Therapie mit der inneren Uhr der Patienten abstimmte. In mehreren Studien an fast sechshundert Patienten zeigte sich, dass die Tagesdosis der getesteten Chemotherapeutika durch Chronotherapie um über dreißig Prozent erhöht werden kann und das bei deutlich geringeren Nebenwirkungen.
Bisher gab es jedoch nur zwei Möglichkeiten, den Chronotyp zu ermitteln – Fragebogen oder Selbsteinschätzung.
Ich selbst war bereits 2003 an der Universität Wien um mit Prof. Dr. Wolfgang Marktl zu eruieren, welche genaueren Methoden man entwickeln könnte, um den Chronotyp jenseits subjektiver Einschätzungen oder Antworten ermitteln zu können. Damals scheiterte eine entsprechende Forschung an finanziellen Mitteln. Die Wirtschaft als möglicher Sponsor war von dem Thema „Chronobiologie“ noch überfordert. Die Akzeptanz fehlte.
Der Bluttest
Dies sieht heute, 15 Jahre und einen Nobelpreis später anders aus. Prof. Dr. Achim Kramer und sein Team an der Charité in Berlin haben es nun umgesetzt. Sie entwickelten einen Bluttest, der über 25 Biomarker im Blut den Chronotyp identifizieren kann
Für ihre Studie entnahmen sie zunächst Probanden über den Tag hinweg mehrfach Blut und verfolgten darin die Aktivität von rund 20.000 Genen. Hier isolierten Sie 25 Gene, die entweder nachtaktiv, morgenaktiv oder abendaktiv sind. Über einen lernfähigen Algorithmus wird dann in der Folge ein Zeitpunkt bestimmt, zu dem die natürliche Melatoninausschüttung einen Schwellenwert von 14,2pg/ml überschreitet. Dieser Zeitpunkt wird als Dim Light Melatonin Onset, kurz `DLMO bezeichnet. Der DLMO zeigt also den Zeitpunkt an, zu welchem die natürliche Melatoninausschüttung beginnt. Darauf basierend kann man bestimmen, welchem Chronotyp dies entspricht. Wie das genau funktioniert, zeigt die folgende Grafik beispielhaft.
Laut des Forscherteams funktioniert dies auch dann, wenn die Testperson entgegen ihres biologischen Rhythmuses früh morgens durch einen externen Impuls (Wecker, Person etc.) geweckt wird.
Nun wollen die Wissenschaftler die Wirksamkeit einer individuell abgestimmten Chronotherapie durch weitere Studien nachweisen, indem sie Therapien auf die individuelle Innenzeit von Patienten abstimmen.
Dies ist ein revolutionärer Schritt, kann man doch nun eine Chronotherapie wesentlich effizienter durchführen, als wenn Selbsteinschätzung oder Fragebogen einer solchen Therapie zu Grunde liegen würde. Letztendlich können sämtliche Therapieformen in Bezug auf Ihre Effizienz davon profitieren, wenn man die auf den jeweiligen Chronotyp basierende optimale Therapiezeit für den Patienten kennt.
Zusammen mit der Projektgruppe um Prof. Achim Kramer verfolgt unsere Firma aliamos GmbH zudem auch das Ziel, mit Hilfe der durch Bluttests ermittelten Chronotypen von Mitarbeitern Personaleinsatzzeiten und Schichtzeiten zu optimieren. Erste Erfolge haben wir hier bereits erzielt.
Welchen Effekt kann dieser Bluttest ausserhalb der Medizin haben?
Kann somit diese Art der Bestimmung des Chronotyps über einen Bluttest auch positiven Effekte auf Wirtschaft, Tourismus und Bildung haben? Die Antwort lautet definitiv „JA“. Natürlich ist eine Blutentnahme immer ein Eingriff am Menschen und bedarf seiner Einwilligung. Zudem kostet er Geld. Aber es geht dabei um weit mehr als nur die Bestimmung eines Chronotyps. Dieser Bluttest zeigt, dass Chronobiologie in der Schulmedizin angekommen ist. Ein Chronotyp ist nicht mehr nur ein imaginäres Gebilde oder eine Glaubensfrage, weil es die einen spüren, die anderen nicht.
Nun ist es gar nicht zwangsläufig nötig, dass Unternehmen, Bildungseinrichtungen etc. alle Mitarbeiter und Schüler einem Bluttest unterziehen, um Nutzen aus dem Wissen um die innere Uhr ziehen zu können. Es geht zunächst darum, dass Entscheider die Auswirkungen der Einbeziehung individueller Chronotypen in BGM und HRM als Möglichkeit erkennen, aktiven Einfluss auf Fehlzeiten, Fehlerkosten und Fluktuation zu nehmen. Fehlzeiten, Fehlkosten, Fluktuation und sogar Fachkräftemangel sind die Schlagworte, wenn es um die Berücksichtigung der inneren Uhr innerhalb der Prozesse in Unternehmen, Bildungseinrichtungen oder Tourismus geht. Dabei wir die Einbindung der Chronobiologie in das BGM nur eine Frage der Zeit sein. Die AOK Bayern wird z.B. bayernweit im Rahmen Ihrer Informationsreihe „BGM im Dialog“ Entscheider Ihrer Mitgliedsunternehmen ausführlich über das Thema informieren und hat mich hierzu als Experten für einen Hauptvortrag eingeladen.
Wie geht man es an?
Das Hauptproblem liegt darin, dass es auf dem Markt kaum Experten gibt, die in der Lage sind, den Zusammenhang zwischen Chronotyp und wirtschaftliche Prozessen zu verstehen. Somit fehlen Möglichkeiten Unternehmen in diesem Bereich zielführend zu beraten. Auf der einen Seite gibt es Chronobiologen, die natürlich ihre Expertise auf dem Gebiet der Chronobiologie haben, auf der anderen Seite Unternehmensberater, Wirtschaftsexperten, HR-Experten etc.. Letztere haben aber zu einem Großteil noch nicht einmal etwas von der Chronobiologie gehört.
Ich selbst war 2003 der erste Betriebswirt überhaupt, der sich mit der Chronobiologie befasst. Und auch heute, nach 15 Jahre, ist mir im D-A-CH – Raum kein Experte mit fundiertem betriebwirtschaftlichen KnowHow bekannt, der auch tiefgreifende Kenntnisse aus der Chronobiologie aufzeigen kann. Aber dies wird sich ändern. Ich prophezeie, dass die Chronobiologie in 5-10 Jahren zum Standardrepertoire der großen, innovativen Unternehmensberatungs-Agenturen und Krankenkassen gehören wird.
Ob dann ein Bluttest zu den klassischen Bewerbungsunterlagen gehören wird, werden wir sehen. Aber wie gesagt, darum geht es nicht.
Passende Vorträge und Seminare dazu:
Chronobiologie im Personalmanagement
Chronobiologie – Leben mit der inneren Uhr
Quellen:
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-22899-2018-07-03.html
https://www.jci.org/articles/view/120874/pdf
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16884842/
By GrahamColm [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], from Wikimedia Commons